Kreativität zwischen Kapitalismus und Perfektion: Authentischer Erfolg als Künstler*in

Kreativität zwischen Kapitalismus und Perfektion: Authentischer Erfolg als Künstler*in

Kreative Ideen entstehen selten unter Druck. Wer sich künstlerisch entfalten möchte, braucht vor allem geschützte Räume, Geduld und die Möglichkeit, zu lernen und zu experimentieren. Wie jedoch passen diese Bedürfnisse in eine kapitalistische Gesellschaft, die uns permanent suggeriert, mit unseren Leistungen glänzen zu müssen? Vielleicht ist es notwendig, dass gerade wir als kreative Menschen unsere Idee von Erfolg neu definieren…

 

Kreativitätsbremse Kapitalismus

Wir leben in einer Leistungsgesellschaft unter ständiger Beeinflussung durch soziale Medien, die uns rund um die Uhr mit dem scheinbaren Erfolg und den Errungenschaften teils völlig fremder Menschen konfrontieren: In Spanien hat eine Künstlerin gerade wundervolle Kritiken für ihre zweite Ausstellung erhalten, in Deutschland ist eine Autorin dabei, ihr fünftes Buch zu verlegen und der alte Studienkollege, den wir seit 10 Jahren nicht mehr persönlich getroffen haben (und den wir ohnehin nie leiden konnten), hat gerade in einer Instagram-Story verlautbart, dass er demnächst einen Preis für seine Arbeit verliehen bekommt.

 

Wir hingegen hängen auf der Couch herum und fühlen uns erschlagen von all den „vorzeigbaren“ Leistungen dieser fremden Menschen. Unsere eigenen Ideen liegen halbfertig in irgendeiner Schublade, die wir seit Jahren nicht mehr geöffnet haben, weil wir mit dem, was andere schaffen, „sowieso nie mithalten können“. Sobald wir uns an unseren Schreibtisch setzen, uns an die Leinwand stellen oder den Computer hochfahren, fühlen wir uns blockiert und gleichzeitig eingeschüchtert.

 

Die vom Kapitalismus geprägte Überzeugung, mit unseren kreativen Projekten sofort „erfolgreich“ sein zu müssen, ist so tief in uns verankert, dass sie unsere Ideen erstickt, bevor wir sie überhaupt keimen lassen können. Wir erwarten von uns selbst, irgendetwas ganz Besonderes, Herausragendes schaffen zu müssen, um jeden Preis von unserer Kunst leben zu müssen oder unsere Ideen unbedingt vermarkten zu müssen – und wenn wir das nicht „schaffen“, dann ist unsere Kreativität nichts wert, oder noch schlimmer: Wir selbst sind nicht genug.

 

 

Das innere Künstlerkind

Unter diesen Voraussetzungen kreativ zu sein ist, um es einmal ganz vorsichtig auszudrücken, eine Herausforderung. Denn unser*e innere*r Künstler*in ist ein Kind – ein begeistertes, neugieriges, unvoreingenommenes Kind, das eine Idee hat und diese spielerisch entwickeln möchte. Wie jedoch reagiert ein spielendes Kind auf Leistungsdruck, auf Kritik, Vergleich und eine völlig überzogene Erwartungshaltung?

 

  • Wird es aufblühen und seine Ideen frei entwickeln?
  • Oder wird es sich eher entmutigt fühlen, Ängste haben und die eigenen Einfälle als „nicht gut genug“ abtun?

 

 

Unsere Identität als Künstlerin, als Kreativer, als Erfinderin – egal, in welcher Branche – ist untrennbar verknüpft und verwoben mit unserem inneren Kind: dem Teil von uns, der völlig ohne Voreingenommenheit an die eigenen Ideen glaubt und diese auf spielerische Art und Weise wachsen lässt. Wollen wir also kreativ und/oder künstlerisch erfolgreich sein, dann dürfen wir erst einmal damit beginnen, dieses innere Kind zu schützen.

 

Das tun wir, indem wir ihm Zeit und Raum geben, abseits unserer kapitalistischen Leistungsgesellschaft, an seinen Einfällen zu spinnen, diese zu entwickeln und zu verwerfen, an ihnen zu feilen, sie liegen zu lassen und wieder aufzunehmen – und zwar ohne Erwartungs- und ohne Leistungsdruck.

Wenn du dich gerade in deinen kreativen Prozessen blockiert fühlst, dann lade ich dich ein, dich zu fragen:

·         Was würdest du gerne erschaffen, wenn du damit keinen Erfolg haben müsstest?

·         Was würdest du tun, wenn du deine neue Idee nicht vermarkten müsstest?

·         Womit würdest du dich beschäftigen, wenn andere deine Einfälle weder gut finden noch loben müssten?

·         Was ist es, was dir selbst, was deinem Herzen nahegeht? Was dich – unabhängig von der Meinung anderer, von der Beeinflussung durch Social Media… – wirklich bewegt?

·         Welche Ideen, welche Umgebungen, welche Eindrücke faszinieren dich und bringen dein inneres „Künstlerkind“ zum Strahlen?

·         Wo und wann hast du das Gefühl, unvoreingenommen du selbst sein zu können und dich ohne Einschränkungen ausdrücken zu dürfen? Und: Erschaffst du dir diese Möglichkeiten selbst?

 

Authentischer Erfolg

In Zeiten wie diesen ist es mutig und bestimmt nicht einfach, uns selbst Räume zu schenken, in denen wir spielen, experimentieren und ausprobieren dürfen, ohne an uns selbst irgendwelche Erwartungen zu stellen. Doch gerade diese Räume sind es, in denen unsere Ideen gut beschützt keimen dürfen, bis wir irgendwann bereit sind, sie auch mit anderen zu teilen. Und genau das wiederum ist die Grundlage für späteren „Erfolg“, der sich auch authentisch anfühlt, weil er nicht von Absatzzahlen, Kritiken und Preisen abhängig ist, sondern diese zu einem (willkommenen) Nebenprodukt unseres eigenen kreativen Weges werden.

So paradox es also klingen mag:   Um als Kreative erfolgreich zu sein, müssen wir uns zuerst von der Idee des Erfolgs verabschieden.

 

Was sind deine Gedanken zu diesem Thema?

 

Ich freue mich, wenn du sie mit mir teilst!

 

Deine Edith