Die 5 phasen des kreativen prozesses
Aha-Erlebnisse und Geistesblitze passieren selten zufällig, auch wenn es den Anschein hat. Denn kreative Prozesse folgen einem gewissen Ablauf. Dieser Ablauf besteht aus 5 Phasen, die – unabhängig von dem Feld, in dem du kreativ arbeitest – immer gleich sind. In diesem Artikel erfährst du, welche 5 Phasen das sind und wie dir dieses Wissen weiterhelfen kann.
„Und irgendwann kam die Idee…“
Kennst du das, wenn dir plötzlich – zu einer vermeintlich völlig zufälligen Zeit – eine wichtige Idee kommt? Wenn du die Lösung für ein berufliches Dilemma unter der Dusche findest oder den nächsten Schritt für dein kreatives Projekt, während du mit deinem Kind auf der Schaukel sitzt? Geistesblitze überkommen uns meist in einem Moment, in dem wir nicht damit gerechnet haben. Das bedeutet aber nicht, dass sie zufällig passieren! Denn der berühmte ‚Aha-Moment‘ ist eine Station des kreativen Prozesses, die sich aus einer logischen Abfolge ergibt. Er könnte nicht entstehen, wenn nicht zuvor einige andere Phasen stattgefunden hätten. Der vor wenigen Jahren verstorbene Kreativitätsforscher Mihaly Csikszentmihalyi beschreibt eine Abfolge von 5 Phasen, die charakteristisch für jeden kreativen Prozess sind – und zwar unabhängig von dem Tätigkeitsfeld, in dem er stattfindet.
Phase 1: Die Vorbereitungszeit
In dieser Phase entdeckst du ein Problem bzw. beginnst, dich mit einer Frage intensiv zu beschäftigen. Dies kann aus zwei Gründen passieren: Entweder du bist neugierig und begeistert von einer Idee, die du gerne weiterentwickeln möchtest. Oder eine Situation nervt oder belastet dich so sehr, dass du sie unbedingt lösen willst. Sowohl Freude als auch Leidensdruck können Auslöser für kreative Prozesse sein. In beiden Fällen fällt der Startschuss jedoch mit einer Frage oder einem Problem, das in deinem Geist auftaucht und beginnt, dich zu beschäftigen.
Diese Frage könnte sein:
· Ich möchte mich selbstständig machen, aber niemand in meiner Familie hat das vor mir gemacht. Keine Ahnung, wie das geht…?
· Ich möchte einen historischen Roman schreiben, aber wie fängt man sowas an…?
· Ich möchte einen kreisrunden Dachstuhl für meinen Geräteschuppen zimmern. Wie berechne ich die Konstruktion?
· Ich möchte eine neue Modekollektion auf den Markt bringen, die aus der Masse sticht. Wie könnte sie aussehen?
· Ich möchte möglichst viele Menschen dazu bewegen, sich dem Klimaschutz zu verschreiben. Wie kann ich meinen Einfluss am besten nutzen?
· etc.
Phase 2: Die Inkubationsphase

Hast du eine Frage oder ein Problem gefunden, das dich interessiert, beginnt nun dein gesamtes Bewusstsein damit, eine Lösung zu suchen. In der Inkubationsphase sinkt deine Frage unter die Schwelle deiner Wahrnehmung und du gehst sprichwörtlich gesehen damit ‚schwanger‘. Egal, wo du bist, mit welchen Menschen du dich umgibst, wie dein Alltag aussieht, usw.: Ein Teil deines Unterbewusstseins ist ab jetzt permanent damit beschäftigt, dein Problem zu lösen. In dieser Phase nutzt dein Gehirn alle deine Erfahrungen, sowie alle äußeren Eindrücke, die dir begegnen, und scannt sie auf Lösungsmöglichkeiten. Und zwar nicht, indem du rational nachdenkst, sondern indem deine Gedanken frei herumschwirren können und die Möglichkeit haben, unerwartete Kombinationen auszuprobieren.
Phase 3: Der Aha-Moment
Nun ist es logisch, dass bei dieser Fülle an Ideen und Möglichkeiten, die in deinem Unterbewusstsein ständig neue ‚Pärchen‘ bilden, irgendwann mal ein ‚Match‘ entsteht! Dieser Match ist dann der berühmte Aha-Moment, der Geistesblitz, der dich scheinbar völlig überraschend überkommt. (Und nun doch nicht so eine große Überraschung ist…) Sobald du diesen Moment der Einsicht hast, fügen sich die Teile deines unterbewussten Puzzles plötzlich zu einem Bild zusammen, das du erkennen kannst. Dieses Bild findet den Weg über die Schwelle deines Bewusstseins zurück und du kannst es nun auch mit deinem Tagesbewusstsein, deinem rationalen Verstand erfassen und verstehen.
Aha-Momente können zum Beispiel so aussehen:
· Beim Spaziergang durch die Obstplantage eines Bekannten kommt dir die Idee, T-Shirts mit unterschiedlichen Obstsorten und einem witzigen Spruch darauf zu designen.
· Auf dem Weg in die Arbeit fällt dir ein alter Reiterhof in deiner Nachbarschaft auf und plötzlich wird dir klar, dass sich dein historischer Roman um das Leben auf einem Wilden Gestüt im 18. Jahrhundert drehen wird.
· Während du mit der Gartenarbeit beschäftigt bist, können deine Gedanken frei herumschwirren und plötzlich fällt dir ein, dass du mit einem guten Freund, der am Meer lebt, ein gemeinsames ‚Müll-Tauchen‘ organisieren könntest, bei dem Klimaschutz und eine spaßige Sommerzeit am Meer kombiniert werden.
· usw.
Phase 4: Die Bewertungsphase

Der kreative Prozess ist an dieser ‚Heureka!‘-Stelle jedoch noch lange nicht zu Ende. Denn jetzt gilt es erst herauszufinden, ob die Lösung, die dein Unterbewusstsein ‚ausgespuckt‘ hat, auch wirklich zielführend und konkret umsetzbar ist. In der Bewertungsphase ist nun dein rationaler Verstand damit beschäftigt, deine Idee zu analysieren und auf ihre ‚Tauglichkeit‘ zu prüfen. Das ist die Phase, in der bei vielen Menschen die größten Unsicherheiten und Zweifel aufkommen. Denn unser bewusster Verstand ist nicht immer der beste Freund unserer kreativen Ideen. Wenn du einen sehr großen ‚inneren Kritiker‘ hast, kann es sein, dass dieser deine Idee zunichte macht, bevor sie überhaupt noch wirklich das Tageslicht erblickt hat.
In der Bewertungsphase hilft es also:
· keine überstürzten ‚Dafür‘- oder ‚Dagegen‘-Entscheidungen zu treffen
· dem inneren Kritiker interessiert zuzuhören, jedoch nur objektive und sachliche Kritik zuzulassen
· die Idee mit einigen wenigen wohlwollenden und fachlich kompetenten Menschen zu besprechen (lies hierzu gerne den Artikel ‚Kreativität und Kritik‘)
· dir ausreichend Zeit für diesen Prozess zu nehmen
Phase 5: Die Ausarbeitung
Sobald du nun deine Lösungsansätze für sinnvoll befunden hast, kannst du damit beginnen, dein kreatives Projekt auszuarbeiten. Das ist die Phase, in der der historische Roman geschrieben, der Dachstuhl gezimmert, das Klimaschutz-Tauchprojekt umgesetzt und die Obst-Kollektion designt, geschneidert und vermarktet wird. Die Ausarbeitungsphase ist die anstrengendste aller Phasen, da nun wirklich Arbeit, Aufwand und Mühe gefragt sind. Eventuell muss Geld in die Hand genommen, mit anderen Menschen kooperiert oder unglaublich viel Geduld und Energie investiert werden, um ein Projekt zu Ende zu bringen. In der Ausarbeitungsphase heißt es: dranbleiben! Eventuell kann es dir hier helfen, die Unterstützung von anderen Menschen anzunehmen, die dich motivieren, wenn du zwischendurch den einen oder anderen Durchhänger hast…
Schleifen und Umwege
Vielleicht hast du es an dieser Stelle schon vermutet: Die 5 Phasen des kreativen Prozesses treten nicht immer linear und hintereinander auf. Wie lange die einzelnen Phasen dauern, kann auch sehr stark variieren. So kann es sein, dass die Inkubationsphase manchmal ein paar Stunden, in anderen Prozessen jedoch ein paar Jahre dauert. Es kann sein, dass während der Bewertungsphase neue Probleme auftauchen, die wiederum unter die Schwelle des Bewusstseins sinken, um dort kreativ gelöst zu werden. Es kann sein, dass während der Ausarbeitungszeit gewisse Prozesse neu bewertet werden müssen, usw.
Je nachdem, wie groß und umfangreich deine ursprüngliche Fragestellung ist, kann der kreative Prozess immer wieder neue Schleifen und Umwege machen. Auf jedem dieser Umwege warten jedoch wieder neue Erkenntnisse und spannende Ideen und Aha-Erlebnisse auf dich.
Wie du siehst: Du kannst lernen, das kleinste Projekt, sowie auch die größten Fragen des Lebens auf kreative Weise zu betrachten. Indem du die einzelnen Phasen des kreativen Prozesses kennst, fällt es dir auch leichter, ihm zu vertrauen. Denn nun weißt du, dass Stress während der Inkubationsphase unnötige Zeitverschwendung ist und dass es normal ist, in der Bewertungsphase dem eigenen inneren Kritiker zu begegnen.
Wenn du gerade an einem kreativen Projekt arbeitest: In welcher Phase des kreativen Prozesses befindest du dich? Teile es gerne mit mir! Ich freu mich!
Bis bald bei den nächsten Impulsen für ein kreatives Leben
Deine Edith