kreativität und kritik
Unsere kreativen Einfälle, Ideen und Projekte kommen direkt aus unserem innersten Kern. Oft repräsentieren sie Wünsche und Ziele, die für uns selbst noch gar nicht fassbar sind. Wenn wir beginnen, sie mit anderen zu teilen, setzen wir sie immer auch potentieller Bewertung aus. Wie du damit umgehen kannst, wann dir Kritik hilft und wann sie deinem Projekt eher schadet, erfährst du in diesem Artikel.
Die Entstehung des Filters
Kinder sind von Natur aus kreativ. Sie haben noch keine Angst vor Bewertung. Sie setzen sich an den Basteltisch, zerschnipseln eine Klopapierrolle, kleben ein paar bunte Steine darauf und fliegen fünf Minuten später mit einer ‚Mission-Mars-Super-Rakete‘ ins Weltall. Es fällt ihnen gar nicht ein, ihre Einfälle zu analysieren, bevor sie sie in die Tat umsetzen. Erst mit der Zeit – durch die Schule, durch eventuell überkritische Eltern oder Bezugspersonen – lernen sie langsam, dass manche Dinge, die sie produzieren, offensichtlich ‚annehmbar‘, ‚wertvoll‘ oder ‚interessant‘ sind, während andere als ‚unnötig‘, ‚komisch‘ oder ‚hässlich‘ abgetan oder schlicht ignoriert werden.
Als Kinder steht für uns die Meinung unserer erwachsenen Bezugspersonen an erster Stelle. Was sie sagen, bedeutet für uns die Welt. Später dann, in unserer Pubertät und im (jungen) Erwachsenenalter, werden die Ansichten unserer Freund*innen, Studienkolleg*innen, Professor*innen, Chef*innen oder Arbeitskolleg*innen zunehmend wichtiger für uns. Das, was wir erschaffen oder kreieren wollen, läuft in unserem Kopf automatisch durch einen inneren Filter von: ‚Findet mein*e Freund*in das auch gut?‘, ‚Was wird mein*e Lehrer*in dazu sagen?‘, ‚Kann ich das meinen Kolleg*innen so präsentieren?‘, usw. Dieser Prozess ist logisch, denn wir alle möchten dazugehören. Angenommen werden, so wie wir sind – mit unseren Einfällen und dem, was wir zu sagen und zu geben haben.
Wenn du aber bemerkst, dass du dich kreativ völlig ausbremst, weil dir die Meinungen und Ansichten deines Umfelds so wichtig sind, hilft es dir vielleicht, dich mit dem Thema Kritik und Bewertung näher auseinanderzusetzen.
Konstruktiv vs. destruktiv

Kritik per se ist grundsätzlich nichts Schlechtes. Wenn wir noch einmal das Beispiel des Kindes mit der Klopapierrollen-Rakete ansehen, kann es ihm bzw. ihr helfen, wenn eine Bezugsperson den einen oder anderen hilfreichen Tipp parat hat. Zum Beispiel ein: „Hier könnten wir noch eine Spitze aus Papier draufkleben, wenn du magst“, oder ein: „Was hältst du davon, wenn wir für den Düsenantrieb Konfetti-Schnipsel verwenden?“ Solche Kritik ist hilfreich. Sie kann die Fantasie des Kindes anregen und das ‚Projekt Rakete‘ verbessern.
Was aber, wenn dieselbe Bezugsperson die selbstgebastelte Rakete abwertet? (Das muss gar nicht bewusst geschehen. Oft reicht hier schon ein Nebensatz wie: „Schön. Aber bist du nicht schon ein bisschen zu alt für solche Spielereien?“)
Dann wird das Kind lernen, dass sein ureigener, kreativer Selbstausdruck irgendwie falsch, ‚zu schlecht‘ oder nicht angebracht ist. Es wird vielleicht aufhören zu basteln. Oder seine Raketen niemandem mehr zeigen. Es wird aus den Kommentaren seines Umfelds schließen, dass seine Kreativität nicht angebracht ist. Die destruktive Kritik seiner Bezugspersonen hat das Kind dazu gebracht, seine eigene Kreativität infrage zu stellen.
3 Tipps für den Umgang mit Kritik
Als erwachsene Menschen tut uns diese Art von destruktiver Kritik nicht weniger weh. Gerade dann, wenn wir eine Idee verwirklichen möchten, die uns wirklich am Herzen liegt, können ein falsches Wort oder ein unangebrachter Blick uns dazu bringen, unseren Einfall bzw. unser Projekt gleich von vorneherein infrage zu stellen. Gleichzeitig haben wir als erwachsene Menschen aber einen erweiterten Handlungsspielraum. Wir müssen uns nicht mehr von allen Menschen alles sagen lassen. Wir sind nicht mehr abhängig von jeder einzelnen Meinung. Diese 3 Tipps können dir dabei helfen, mit Kritik umzugehen bzw. dich vor unangebrachter Bewertung zu schützen:
1. Behüte deine Idee
Wenn du eine Idee hast, die dir wirklich viel bedeutet, du aber in der Umsetzung noch ganz am Anfang stehst, dann überlege genau, mit wem du deine Einfälle teilst. Ein kreatives Projekt ist wie eine zarte Pflanze. Es braucht Zeit zu reifen, zu wachsen und sich zu entwickeln. Oft gärt es über Wochen, Monate oder sogar Jahre in dir selbst. Wenn du in diesem Stadium frei heraus allen Menschen von deiner Idee erzählst, können ein paar unbedachte Kommentare dazu führen, dass du sie begräbst, bevor sie noch das erste ‚Tageslicht‘ gesehen hat. Gerade in der Anfangsphase des kreativen Prozesses ist es wichtig, deine Einfälle nur mit wenigen, ausgewählten Personen zu teilen, von denen du sicher bist, dass sie dich zu hundert Prozent unterstützen. Auch wenn du selbst noch planlos bist. Wenn dann langsam mehr Struktur herrscht und du selbst weißt, wo’s langgeht, kannst du Schritt für Schritt mehr von deinem Projekt teilen und zeigen.
2. Unterscheide deine Kritiker*innen
Sobald du dein Projekt einem größeren Publikum zugänglich machst, wirst du früher oder später Kritik und Kommentare ernten. Manche davon werden dich bestärken, andere werden Unverständnis ausdrücken, wieder andere werden offen etwas an dir oder deinem Projekt kritisieren. Wenn das passiert, überlege genau:

- Wer ist die Person, die deine Idee bzw. die Umsetzung deiner Idee kritisiert?
- Hat sie Ahnung von der Materie, in der du dich bewegst?
- In welcher Beziehung steht die Person zu dir?
- Ist die Kritik konstruktiv?
- Kommt die Kritik gefragt oder ungefragt?
- Drückt sie eine Art Hilfestellung aus oder einfach nur eine persönliche Ansicht bzw. Einstellung?
Wenn du beispielsweise als Maler*in arbeitest und deine Bilder in einer Ausstellung zeigst, macht es einen Unterschied, ob Onkel Rudi, selbst Bankangestellter und Hobby-Angler, zu deinen Bildern sowas sagt wie: ‚Naja, ein bissl viel Rot hast du da verwendet, findest du nicht…?‘. Oder ob eine renommierte Künstlerin, die du selbst eingeladen hast, dir ein paar Tipps für eine noch bessere Umsetzung von Licht- und Schattenelementen gibt.
3. Frage bewusst nach anderen Meinungen
Du hast übrigens auch die Möglichkeit, dir deine Kritiker*innen ganz bewusst und in voller Absicht selbst auszuwählen. Wenn du an einem Buch schreibst, dann macht es beispielsweise Sinn, dir eine*n gute*n Lektor*in zu holen, die deinen Schreibprozess immer wieder von außen betrachtet und dich so noch besser werden lässt. Wenn du ein Unternehmen gründen möchtest, kannst du dir Hilfe von Menschen holen, die genau das schon getan haben. Oder wenn du beginnen möchtest, selber Ohrringe zu designen, kannst du deine ersten Exemplare anderen Designer*innen zeigen und ihre fachliche Meinung dazu einholen. Indem du gezielt nach konstruktiver Kritik fragst, verbesserst du deine Fähigkeiten und damit die Ergebnisse deiner kreativen Arbeit.
Kritik kann also durchaus befruchtend und positiv für deine kreativen Einfälle sein. Solange du bewusst und weise mit ihr umgehst – und genau unterscheidest, was du annehmen möchtest, und wo du lieber sagst: ‚Danke, nett gemeint, aber jetzt zurück zur Tagesordnung.‘
Wurden deine kreativen Einfälle schon einmal kritisiert? Wie ist es dir damit gegangen? Lass es mich gerne wissen!
Bis bald bei den nächsten Impulsen für ein kreatives Leben
Deine Edith